Deep Learning revolutioniert die Logistik

„Tiefes Lernen“ als Teilgebiet der Künstlichen Intelligenz revolutioniert die Logistik. Durch künstliche neuronale Netzwerke (KNN) können riesige Mengen (Big Data) an unstrukturierten Daten verarbeitet und analysiert werden.

Redaktion: Dirk Ruppik.

Beim Thema „Künstliche Intelligenz (KI)“ werden bei vielen Menschen Assoziationen zu Science Fiction-Filmen geweckt. Wer denkt da nicht an Cyborgs, Blade Runner und Replikanten? Aber wie weit ist die KI wirklich und wo wird sie in der Logistik bereits angewendet? Was sind die Zukunftsaussichten?

 

Nach dem Gabler Wirtschaftslexikon versteht man unter KI „die Erforschung von intelligentem Problemlösungsverhalten sowie die Erstellung intelligenter Computersysteme. Sie beschäftigt sich mit Methoden, die es einem Computer ermöglichen, Aufgaben zu lösen, die vom Menschen zur Lösung Intelligenz erfordern.“ Zur KI gehören mittlerweile viele Teilbereiche, deren Anzahl beständig wächst: Bots, Predictive Maintenance, Data Mining, Process Mining, Neuronale Netze, Machine Learning, Deep Learning, u.v.m.. Deep Learning mit Hilfe neuronaler Netze ist der derzeit vielversprechendste Ansatz in der künstlichen Intelligenz und wiederum ein Ansatz innerhalb des maschinellen Lernens. Daher soll es hier genauer betrachtet werden.

Wie funktioniert tiefes Lernen?
Beim maschinellen Lernen werden Algorithmen anhand von Daten trainiert. Beim tiefen Lernen werden künstliche neuronale Netze zur selbstständigen Informationsverarbeitung bzw. zur fortgeschrittenen Mustererkennung genutzt. Künstliche neuronale Netze (NN) sind Algorithmen, die nach dem biologischen Vorbild des menschlichen Gehirns modelliert sind. Durch große Datenmengen (Big Data) und stark gewachsene Rechenkraft hat Deep Learning an Relevanz gewonnen. Auch hier füttert man das neuronale System mit Trainingsdaten. Diese laufen dann allerdings durch ein Netzwerk an künstlichen Neuronen, das in Schichten angeordnet ist. Die Daten werden von einer Neuronenschicht zur anderen über sog. gewichtete Kanäle übertragen. Es existiert eine Input-Schicht, dazwischen sog. Hidden Layers und eine Output-Schicht. Man kann sagen, je höher die Anzahl der Hidden Layer ist, desto tiefer ist das Lernen. Durch Aktivierungsfunktionen werden bestimmte Neuronen aktivert, die dann ihre Werte an die jeweils nachfolgende Schicht weitergeben. Durch die Neuronen der Hidden Layers wird den Werten eine jeweilige einzigartige Zahl (Bias) hinzugefügt. Durch Anpassung der Wichtung und die Bias lernt das neuronale Netzwerk.

Tiefes Lernen ist extrem rechenintensiv und das Training kann über Monate andauern, um gute Vorhersagen und Entscheidungen treffen zu können. Deep Learning löst Probleme z. B. im Bereich der Sprach-, Text- und Bilderkennung, was ohne diese speziellen Algorithmen nicht möglich wäre. Gerade bei riesigen Datenmengen funktioniert Deep Learning weit besser als das maschinelle Lernen mit klassischen Algorithmen. Der Hauptunterschied zwischen Deep Learning und klassischem Machine Learning liegt in der Fähigkeit, durch künstliche neuronale Netzwerke (KNN), unstrukturierte Daten zu verarbeiten.

Anwendungsgebiete des Deep Learning in der Logistik.
Neben der Sprach-, Text- und Bilderkennung wird tiefes Lernen in der Logistik beispielsweise bei der Wegeoptimierung eingesetzt. Beim Online-Händler für Mode Zalando werden die Laufwege der Mitarbeiter in den Logistikzentren verkürzt und die Pickrouten so optimiert, dass ein möglichst sinnvoller Weg durch die Regalreihen entsteht. Bei der Kombination aus Pickliste und Wegstrecke handelt es sich im Prinzip um eine komplexere Variante des Traveling-Salesman-Problems.

Nach wie vor stellt die Rechenzeit der Algorithmen die größte Herausforderung für viele Anwendungen dar. Um diese Zeit auf wenige Millisekunden zu reduzieren, wurden bei Zalando eine Million zufälliger Picklisten generiert und mit Hilfe des Algorithmus mit der dafür errechneten Kommissionierzeit gelabelt.

Die Daten wurden dann in ein NN eingespeist. Anhand dieser Informationen wird es trainiert und die Wegezeitenberechnung erreicht schließlich nur eine Fehlerrate von etwas über 32 Sekunden pro Stunde. Ein enormer Beschleunigungsfaktor kann durch Grafikprozessoren (GPUs) erreicht werden. Das Unternehmen nutzt NN (sog. Convolutional Deep Neural Networks) auch zur Extraktion von Merkmalen aus Produktbildern, die für das Bereitstellen von individuellen Empfehlungen an Kunden verwendet werden.

Die BMW Group arbeitet derzeit an der Entwicklung von fünf KI-fähigen Robotern zur Verbesserung der Logistikabläufe. Dies sind einerseits ein Smart Transportroboter (STR) zum autonomen Materialtransport, als auch Logistikroboter zum Auswählen, Greifen und Handling von Bauteilen und Ladungsträgern. Die Roboter verwenden KNN, z. B. zur Wahrnehmung, Segmentierung, Bestimmung der räumlichen Lage und Schätzung der menschlichen Position. Zusätzlich zu realen Daten werden die Logistikroboter mithilfe gerenderter Bilder trainiert, um Bauteile und Ladungsträger unter verschiedenen Sicht- und Lichtbedingungen zu erkennen. Die realen und synthetischen Daten werden anschließend verwendet, um künstliche, neuronale Netzwerke auf den Grafikkarten-basierten Servern zu trainieren. Dadurch sollen Logistikprozesse und -innovationen weiter optimiert werden. Die Roboter wurden auf der vom amerikanischen Grafikprozessor-Hersteller NVIDIA entwickelten ISAAC-Robotics-Softwareplattform entwickelt.

Der amerikanische Logistiker GlobalTranz nutzt Deep Learning um Unternehmen beim Tracking von Finanzprognosen, Produktionstempo- und fluss sowie Auftragsabwicklung zu helfen. Zudem können dadurch bessere Entscheidungen durch die Geschäftsführung getroffen werden. Laut der amerikanischen Computerzeitschrift Wired Magazine erwarten Experten die zunehmende Nutzung von Tiefem Lernen in der voraussagenden Instandhaltung von Maschinen, Ertragsoptimierung, Beschaffungsanalyse und Vorratsoptimierung. Die amerikanische Beraterfirma McKinsey sieht einen Wertezuwachs von Unternehmen durch die Einführung von Deep Learning-Technologien je nach Branche von ein bis neun Prozent der Unternehmenserträge.

Wie KI die Logistik verändern wird.
Besonders auch im Bereich der Lagerverwaltung und -technik wird die Automatisierung mit KI immer weiter Einzug halten. Durch sie wird die Lagerverwaltung agiler und reagiert schneller auf geänderte logistische Anforderungen. Eine wichtige Rolle beim Smart Warehouse spielt dabei das Industrial-Internet-of-Things (IIoT) durch das alle Komponenten miteinander vernetzt werden. KI wird die Kommissionierung durch die Vorberechnung der benötigten Ladungsträger und Packmittel verbessern und die Zeiten verkürzen, Cobots und Fahrerlose Transportsysteme (FTS) steuern, die Bestandsverwaltung optimieren, die Kommunikation von Komponenten durch die Vernetzung stark verbessern, die Produktivität erhöhen u.v.m..

Der effektivere Einsatz von Personal durch KI-gesteuerte Einsatzplanung führt zu geringeren Personalkosten bzw. eine höherer Sicherheit durch Reservenbildungen (z. B für den Krankheitsfall). Das Logistics Trend Radar (2018/ 19) von DHL zeigt zwei übergreifende Trends auf, die durch den Einsatz von KI erst entstehen. Die Antizipatorische Logistik beschäftigt sich mit der Voraussage der Nachfrageentwicklung. „Man muss wissen, dass die simulationsbasierte Planung eines der ganz großen Ziele der Digitalisierung ist, das gilt nicht nur für die Logistik, sondern für alle Branchen. Wenn wir so weit sind, dass wir ganze Lieferketten vorausberechnen und -steuern können, dann kann man die Digitalisierung der Geschäftsprozesse nahezu als abgeschlossen betrachten“, erklärt Thomas Reppahn, Leiter Zentrale Logistics Product and Process Management der Schenker Deutschland AG.

Der zweite Trend sind selbstlernende Systeme durch selbstlernende KI-basierte Algorithmen wie eben KNN. Einige Anwendungen in der Logistik wurden oben schon aufgezeigt. Die selbstlernenden KI-basierte Algorithmen eignen sich zum Erkennen wiederkehrender Ereignisse im Lager oder bei der Kommissionierung, die dann z. B. in bestimmte Kommissionierregeln umgesetzt werden können. Durch selbstlernende Systeme kann u. a. auch die rechtzeitige Nachbestellung von Artikeln in der benötigten Stückzahl automatisiert werden. (DR)

Quelle: LOGISTIK express Ausgabe 4/2020

Translate »